Von Dagmar Wagner on Freitag, 25. April 2025
Kategorie: Aktuelles

4. Teil meiner Blogreihe: Meine pflegebedürftigen Eltern - Erlebnisberichte. Heute: Der Medizinische Dienst (MD) kommt zur Einstufung des Pflegegrads!

Wie in meinen Beitragen vorher schon erwähnt: Dies sind meine ganz persönlichen Erfahrungen ergänzt mit Fakten. Manche Erfahrungen halte ich für so wichtig, dass ich Ihnen diese als TIPP weitergeben möchte.

Mein persönliches A&O wenn's um die Einstufung zum Pflegegrad geht?

Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung!!!

Wenn es um die Einstufung des Pflegegrads geht, gehts ums Geld, das Sie zur Unterstützung zur Pflege erhalten. Dazu gehören auch vielfältige Sachleistungen wie ein Treppenlift oder ganz einfach nur Windeln. Und natürlich auch die personelle Unterstützung wie der Pflegedienst, Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege.

Sie beantragen die Einstufung zum Pflegegrad bei Ihrer Krankenkasse, die wiederum den Medizinischen Dienst informiert. Dieser sendet Ihnen dann einen Termin zu, den Sie natürlich noch ändern können.

Seien Sie sich bewusst: Telefonisch gibt es kaum ein Durchkommen. Am Besten Sie schreiben eine Email und bitten um Terminverschiebung.

Der Medizinische Dienst - egal wo - ist immer heillos überfordert. Zuviel Termine, zu wenig Personal! Beim ersten Termin ist die Wartezeit kürzer, bei allen Terminen wie z.B. Verschlechterungsantrag dauert es bis zu 6 Monaten.

  1. Ein Krankenhausaufenthalt, nach dem sich ziemlich sicher ein Pflegegrad ergibt, wenn man nach Hause kommt: Hier müssen Sie gleich noch aus dem Krankenhaus heraus den Antrag auf einen Pflegegrad stellen. Das macht dort der Soziale Dienst. Dieser schickt den Antrag zur Krankenkasse und in der Regel ergibt sich sofort eine Pflegestufe, die Sie „quasi" mit nach Hause nehmen. Das bedeutet, Sie haben nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus gleich alle Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung und müssen nicht erst das Geld vorlegen und wieder zurückfordern. Denn wenn Sie mit dem Antrag warten, trotzdem aber selber alles zahlen: Die Krankenkasse erstattet nur die angefallenen Kosten ab dem Termin der Antragstellung.

1.1. Wenn Sie schon eine Pflegestufe hatten, und falls sich Ihr Pflegegrad verschlechtern wird nach einem Krankenhausaufenthalt, sollten Sie auch den Antrag auf Verschlechterung stellen. Da es immer eine Weile dauert, bis der Medizinische Dienst zur Begutachtung kommt, kann es sein, dass Sie sich so erholt haben, dass sich die Verschlechterung in Luft aufgelöst hat. Dann nehmen Sie den Antrag wieder zurück. Das ist kein Problem. Machen Sie es lieber so, als ewig mit dem Antrag auf Verschlechterung zu warten. Ihnen reisst niemand den Kopf ab, wenn Sie wieder „stornieren".

2. Wie bereiten Sie sich am Besten auf den Besuch vom Medizinischen Dienst zur Einstufung eines Pflegegrads vor?

Mein Tipp: Besuchen Sie diese Webseite:

https://www.pflege.de/

Hier können Sie mit dem Pflegegradrechner schon mal einen ersten Eindruck bekommen, welche Pflegestufe möglich wäre:

https://meine.pflege.de/service/pflegegradrechner

Sie müssen dazu Ihre Emailadresse angeben, ganz anonym geht es leider nicht. Aber Sie müssen nicht den Namen der zu pflegenden Person angeben.

Nehmen Sie sich die Zeit, und gehen Sie danach das Ergebnis ganz genau durch. Sie werden staunen, wie differenziert gefragt wird. Und sicher fällt Ihnen etwas ein, worauf Sie selber nie gekommen wären.

Aber bevor Sie den Antrag ausfüllen:

Beobachten Sie mal mehrere Tage alle Ihre Handlungen bezüglich der Pflege oder Hilfestellung, die nötig sind. Vieles ist so selbstverständlich für Sie, dass es Ihnen nie in den Sinn käme, dies als Pflege- oder Hilfeleistung einzuschätzen. Dies ist auch eine gute Vorbereitung auf den Besuch des MD.

Was Sie wissen sollten: Studieren Sie sorgfältig das Ergebnis auf pflege.de. Sie werden dort alle Fragen finden, aber die werden nicht einzeln abgefragt von den Gutachter:innen, sondern diese tragen vieles auch nur nach eigenem Ermessen ein. Insofern sollten Sie vor dem Besuch besonders die Punkte notieren und dann persönlich ansprechen, die die Gutachter:innen letztlich nicht so genau einstufen können. Machen Sie sich diese Mühe, es lohnt sich. Schaeun Sie unten auf das Foto, da sehen Sie 6 Module, die abgefragt werden.

2. Demenzerkrankung

Ganz wichtig ist, dass Sie bei einer Demenzerkrankung vorher schon alle Einschränkungen zusammenzutragen wie z.B. Orientierungslosigkeit, Hinlauftendenz, alles was Ihnen einfällt. Das ist extrem wichtig, denn die Demenzkranken können das ja selber gar nicht einschätzen, und die Gutachter können es ja auch - fast nicht - direkt erleben.

Und außerdem: Nicht alle Personen vom MD fragen danach.

Sie müssen darauf bestehen, dass Sie das unter vier Augen mit den Gutachtern alleine besprechen. Sie wollen ja Ihre Angehörigen nicht bloßstellen. Das ist ein ganz normales Vorgehen, da brauchen Sie sich nicht schlecht fühlen.

Ganz schwierig wird es bei Demenzformen, die nicht Alzheimer sind. Da wirken die Patient:innen auf den ersten Blick oft wenig eingeschränkt, und unerfahrene Gutachter:innen kommen gar nicht auf den Gedanken, dass es hier einen höheren Betreuungsaufwand geben könnte.

Schämen Sie sich auch nicht, wenn die Patienten zuhause sehr verhaltensauffällig sind. Das MÜSSEN Sie alles berichten.

3. Ich hab doch nix!

Viele Patienten zeigen sich von der Schokoladenseite vor dem MD. Je nach Grad und Art der Demenz können Sie dem Patienten erklären, worum es bei dem Besuch geht. Patienten ohne Demenz wissen natürlich, worum es geht. Allein die Tatsache, dass man ihnen so viel Aufmerksamkeit schenkt, läßt manche Patienten regelrecht aufblühen. Bleiben Sie beiden Fakten. Vielleicht müssen Sie auch dem Patienten widersprechen, das fühlt sich nicht gut an, aber es hilft ja nichts. Stellen Sie sich vorher auf eine derartige - eventuelle - Situation ein.

Für den Fall, dass Sie den wahren Grund des Besuchs des MD nicht nennen wollen, weil sich der Patient weigern würde: Ich finde nicht, dass Sie deshalb ein schlechtes Gewissen haben müssen.

4. Schummeln oder gar Lügen bringt nix!

Sich hilfsbedürftiger oder kränker geben, als man ist? Vergessen Sie es! Versuchen Sie es erst gar nicht. Das Einzige, was hilft, ist: Seien Sie sich wirklich sehr klar über das Ausmaß Ihrer Pflegeleistung. Was tun Sie alles! Herrscht dazu Klarheit in Ihrem Kopf, dann werden Sie das überzeugend rüberbringen.

5. Sie sind mit der Pflegestufe nicht einverstanden?

Sie können Widerspruch einlegen. Aber den sollten Sie sehr gut begründen. Am Besten lassen Sie sich dabei von einer Pflegeberater:in helfen.

In der Regel folgt dann ein zweiter Besuch des MD.

Manche warten aber einfach 6 Monate ab und stellen dann einen Verschlechterungsantrag. Tatsächlich kann ein erneuter Besuch wegen eines Widerspruchs auch so lange dauern. Die Entscheidung also - Widerspruch oder Abwarten - ist schwierig.

Der Vorteil eines Verschlechterungsantrags nach sechs Monaten: Sie füllen in der Regel zuerst ein Schreiben aus und legen die Verschlechterung auf einem zugesandten Fragebogen dar. Das reicht oft aus zur Anerkennung, und Ihnen bleibt ein erneuter Besuch erspart. Der MD entscheidet dann aufgrund Ihrer Antworten, ob dem Verschlechterungsantrag stattgegeben wird.

Beachten Sie bitte auch: Wie viele Punkte fehlen Ihnen zur nächst höheren Pflegestufe? Wenn das sehr viele sind, dann müssen Sie schon sehr gute Gründe anführen. Ein Krankenhausbesuch, eine OP oder neue schwere Erkrankungen reichen in der Regel aus.

Aber Vorsicht: Nach einem Krankenhausaufenthalt kann sich in den nächsten Monaten der Zustand auch wieder verbessern. Vielleicht warten Sie das tatsächlich erst mal ab. (Siehe Punkt 1.1.)

6. Zum Ablauf des Besuchs

6.1. Wie lange dauert so ein Besuch? Der Besuch des MDwird mit einer Stunde angekündigt. Ich habe leider einmal erlebt, wie eine Gutachterin fast 3 Stunden bei uns war. Ich habe mich nicht getraut, sie „rauszuwerfen". Tatsächlich fing sie an, Fragen zu an den Wänden hängenden Fotos zu stellen. Es war der erste MD-Besuch bei meinen Eltern. Ganz klar: Hier hat die Gutachterin eine Grenze überschritten. 1-1,5 Stunden sind angemessen!

6.2. Es fühlt sich schon komisch an, wenn eine wildfremde Person intime Fragen stellt, allein schon, wenn sie nur das Haus betritt. Aber da müssen wir alle durch. Anders geht es nicht. Und natürlich benehmen sich die Gutachter:innen freundlich. Aber Sie brauchen nicht denken, dass sie deshalb mehr Punkte vergeben, es also etwas Positives bedeutet. Genauso wenig, wenn sie sich eher spröde verhalten. Das spielt alles keine Rolle. Konzentrieren Sie sich auf die Sache und gut ist. Sie wollen doch keine Freundschaft schließen. Sie erhalten kein besseres Ergebnis, wenn Sie extrem freundlich sind. Ein angemessenes Verhalten: Höflich, konzentriert und sachlich bleiben. Mehr muss nicht sein.

6.3. Während des Besuchs füllen die Gutachter:innen den Fragebogen aus und sehen am Ende natürlich, welcher Pflegegrad für Sie errechnet wurde. Aber dieses Ergebnis werden sie Ihnen nicht mitteilen. Darauf brauchen Sie nicht hoffen, denn wenn dann nur ein Punkt zur nächsten Pflegestufe fehlt, würden Sie sich sicherlich ärgern und fragen: Warum? Sie müssen sich also eine paar Tage gedulden. In der Regel übermitteln die Gutachter abends das Ergebnis an die Krankenkasse, die dieses nun an Sie weitergibt als ausführliches Gutachten. Und natürlich können Sie Widerspruch einlegen, aber achten Sie auf die Frist dafür.

7. Qualifikation der Gutachter:innen beim MD

Wer kommt da zu Ihnen? Da wirds schon schwierig, denn hier kann es große Unterschiede geben betreffend Ausbildung und Erfahrung. Das ist grundsätzlich normal und niemand will Ihnen etwas Böses. Aber ich habe leider eine sehr unerfahrene Anfängerin gehabt, die sich mit der sehr speziellen Demenzerkrankung eines Elternteils nicht auskannte. Ihr Gutachten war wirklich einfach ungenügend, ich legte Widerspruch ein, den ich über viele Seiten präzise begründete. Dann kam eine Dame, die sich mit dem Krankheitsbild sehr gut auskannte, und gut war's. Wir sind alle nur Menschen, es kann nicht immer perfekt - also in unserem Sinne laufen.

Aber das tut es ja sonst auch nicht!

Die Karikatur oben ist aus "Digitalisierung – (k)ein Problem?" Der Karikaturenwettbewerb zu Alter und Digitalisierung von der BAGSO.

Die Karikatur ist von Sabine Voigt. Aus der Kategorie: Smarte neue Welt1. Preis: Sabine Voigt mit "Pflegeroboter"

Herzlichen Glückwunsch Frau Voigt! Echt klasse!

:-)

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